Peter Fleissner, Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission,

Institut für technologische Zukunftsforschung, Sevilla

Zukunftsforschung und Politikberatung für die Europäische Union

Das IPTS (Institut für Technologische Zukunftsforschung, in englischer Langfassung: Institute for Prospective Technological Studies, homepage: http://www.jrc.es) in Sevilla beschäftigt sich hauptsächlich mit Technologiebeobachtung und mit zukunftsorientierten Problemen und Möglichkeiten des technischen Wandels. Dabei geht es nicht um esoterische Studien im Elfenbeinturm, sondern um die Erarbeitung politikrelevanter Aussagen für die Kommissare und Generaldirektionen der Europäischen Kommission, die Ausschüsse des Europäischen Parlaments oder für die Regierungen der Mitgliedsländer der Europäischen Union. Nach der offiziellen Sprachregelung befleißigt sich das Institut dabei einer "neutralen" Herangehensweise, was nicht immer leicht durchzuhalten ist, da die Mehrheit der MitarbeiterInnen des IPTS Angestellte der Europäischen Kommission sind, für die sie fallweise kritische Worte finden müssen.

Die Wurzeln des IPTS reichen nur bis in die späten 80er Jahre zurück. Unter dem Titel PROMPT (ob dies nur ein sprechender Name ist oder ob sich dahinter eine Langfassung verbirgt, läßt sich nicht mehr beantworten) wurden die ersten zukunftsorientierten Projekte der Gemeinsamen Forschungsstelle durchgeführt. Mit dem Vierten Rahmenprogramm wurde PROMPT mit einem neuen Namen, einem neuen Direktor und einem höheren Budget ausgestattet. Im Jahr 1994 erfolgte die Neugründung als eigenständiges Institut in Sevilla, wo nach der Weltausstellung 1992 reichlich Büroräume vorhanden waren, die nach einer Nutzung riefen. Die spanische Regierung erklärte sich bereit, die Lokalität mit entsprechender elektronischer Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Unter der Kommissarin für Wissenschaft und Forschung, Madame Cresson, erhielt das neue Institut eine dreifache Aufgabe: (siehe Forschungsbericht 1997):

Technologiebeobachtung

sozio-ökonomische Expertise

kurzfristige Reaktion auf Anfragen der Einrichtungen der Europäischen Union

Derzeit ist das Institut mit etwa 100 Personen (etwa die Hälfte davon sind AkademikerInnen) nach wie vor das kleinste der sieben Forschungseinrichtungen der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Center - JRC) der Europäischen Kommission, die insgesamt etwas mehr als 2500 Personen in Instituten in Ispra (Italien), Petten (Niederlande), Geel (Belgien) und Karlsruhe beschäftigt. Neben der Forward Studies Unit (Cellule de Prospective), einer kleinen politikberatenden Zelle mit rund 20 Mitarbeitern, die direkt dem Präsidenten der Kommission verantwortlich ist, ist das IPTS das einzige sozialwissenschaftlich orientierte Institut der Europäischen Kommission. Diese Sonderstellung beschert ihm eine überdurchschnittliche Breite der Aufgaben. Sie reichen von Übersichtsarbeiten (Nationale Zukunftsforschung in den USA und Japan) über techno-ökonomische Fragen (Technologiewahl für die optimale Gestaltung von Solarenergieanlagen in der Golfregion), aktuelle demographische Probleme (Einschätzung der Abwanderung europäischer Intelligenz nach USA), die Beurteilung von Wirtschaftstendenzen (die Rolle von neuen unternehmensnahen EDV-orientierten Dienstleistungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze) bis zur Politikberatung im engeren Sinn (Erstellung von EU-Richtlinien für das optimale Wassermanagement in Mittelmeerländern) reicht.

Wichtigste regelmäßige Publikation des Instituts ist der IPTS Report, der 10 mal jährlich erscheint. Mit einer Auflagenhöhe von 7000 Gratisexemplaren hat er einen Umfang erreicht, der den Leistungsgrenzen des Vertriebs durch das Institut nahekommt. Seit einigen Monaten wird er daher auch frei über das Internet angeboten (http://www.jrc.es/iptsreport/).

Im Rahmen von ESTO, dem European Science and Technology Network, hat IPTS mit 15 hochkarätigen europäischen Forschungseinrichtungen einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, die auf Abruf zur Behandlung von technischen, natur- und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen zur Verfügung stehen. Es sind dies im einzelnen: Agence pour la Diffusion de l’Information Technologique (ADIT, Frankreich), Centre for Exploitation of Science and Technology (CEST, Großbritannien), Fundacion para la Innovacion Tecnologica (COTEC, Spanien), University of Denmark, Unit of Technology Assessment (DTU), Directorate Studies and Strategies (ENEA, Italien), Instituto Nacional de Engenharia e Technologia Industrial (INETI, Portugal), Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS, Bundesrepublik Deutschland), Departement Science Policy Studies (NUTEC, Schweden), Observatoire des Sciences et des Techniques (OST, Frankreich), Science Policy Research Unit (SPRU, Großbritannien), Centre for Technology and Policy Studies (TNO, Niederlande), Technology Centre Future Technologies Division (VDI-TZ, Bundesrepublik Deutschland), Flemish Institute for Technology Research (VITO, Belgien) und Group of Technology Studies (VTT, Finnland). Vor kurzem wurden auch PREST (Manchester, Großbritannien) und MERIT (Niederlande) Vollmitglieder von ESTO. In Zukunft ist einerseits an eine Ausweitung des Netzwerks in Richtung der Reformländer im Osten und der Länder des südlichen Mittelmeerraumes gedacht, andererseits sollen auch die Kontakte mit Think Tanks aus Nordamerika und Japan intensiviert werden. Um einen effektiven Informationsfluß zu gewährleisten, soll das Netzwerk nach thematischen Gruppen strukturiert werden. Die Mitglieder des Netzwerkes können sich mit Angeboten zur Beantwortung der Anfragen des IPTS beteiligen, ein Teil des Budgets steht für eigenständige Vorschläge für kleinere Projekte aus dem Kreis der Teilnehmer zur Verfügung. Die Ausarbeitung von Beiträgen für den IPTS Report gehört bereits zur üblichen Routine.

Das IPTS leistet Geburtshilfe für das European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau (EIPPC) geleistet. Es war von der Europäischen Kommission (laut Artikel 16.2 der Richtlinie 96/61/EC der Europäischen Kommission) zur Dokumentation von technischen Informationen über beste verfügbare Technologien eingerichtet worden, die eine möglichst umweltschonende Produktion erlauben. Das Büro erstellt sogenannte BREFs (Best available technologies REFerence documents) in einem aufwendigen Konsultationsprozeß unter internationaler Beteiligung von ExpertInnen und Unternehmen. Derzeit werden die besten Technologien für die Herstellung von Eisen und Stahl, Papier, Nicht-Eisen-Metallen, Zement, Glas und Textil dokumentiert. Die Dokumente sollen den Mitgliedsländern als Referenzmaterial für Umweltschutzrichtlinien in Genehmigungsverfahren dienen.

Die Wahl von Sevilla als Standort des Instituts ist bis heute aus zwei Hauptgründen problematisch: eine unzureichende Anbindung an den internationalen Flugverkehr (es gibt so gut wie keine Direktflüge nach Brüssel, was für die Mitarbeiter des Instituts, die häufig zu ihren Klienten in den Generaldirektionen oder den Einrichtungen des Europäischen Parlaments auf "Mission" müssen, einen ziemlichen Zeitverlust bedeutet) und das Fehlen einer internationalen Schule (was die Attraktivität des Instituts für die 30 bis 45-jährigen Nichtspanier mit schulpflichtigen Kindern wesentlich herabsetzt). Umgekehrt besitzt die Lage des Instituts auch Vorteile: eine ziemlich einmalige lokale Festkultur, die sich nicht nur in der Semana Santa (die Karwoche wird mit rund 50 Prozessionen in prächtiger Ausstattung unter Beteiligung von ganz Sevilla gefeiert) und der Feria de Abril (eine Weiterführung des traditionellen Pferdemarktes in Sevilla mit Essen, Trinken, Tanz und Gesang in der dritten Woche nach Ostern, in kleinen Häuschen, die für sieben Tage eine Stadt in der Stadt bilden und nur für diesen Zweck errichtet werden, unter zahlreicher Beteiligung von blumengeschmückten Pferden und Kutschen, Reiterinnen und Reitern aus der Umgebung, die das ganze Jahr über für diese Gelegenheit sparen) unter Beweis stellt, Reichhaltigkeit und hohes Niveau der kulturellen Veranstaltungen, und gute Freizeitmöglichkeiten. Allerdings schränkt die hohe Arbeitsbelastung die Nutzung des Angebotes ziemlich stark ein. Die räumliche Distanz erlaubt es dem Institut, der Brüsseler Ranküne weitgehend fernzubleiben, obwohl dies nie vollständig möglich ist.

Die größte laufende Aktivität des IPTS ist das sogenannte Futures - Projekt, dessen Beschreibung der Rest des Artikels gewidmet sein soll. Das Projekt kann als exemplarisch für einen Paradigmenwechsel im Bereich der zukunftsorientierten Politikberatung angesehen werden. Der Schwerpunkt klassischer Politikberatung bestand in der Abfassung von Berichten, Executive Notes oder Briefings, unter der stillschweigenden Annahme, daß alles, was an den Auftraggeber weitergegeben werden soll, auf der Ebene von schriftlichen Dokumenten vermittelt werden könnte. Vor zwanzig Jahren war das auch die Auffassung des Erfinders der Postmoderne, Lyotard, der in seinem Buch "Das postmoderne Wissen" die Verteilung allen Wissens über den Markt voraussagte. Wissen, knowledge, wäre ein Gut wie jedes andere, das über den Markt verkauft und gekauft werden würde. Damit erhielte "Wissen" denselben Status zugewiesen wie materielle Produkte als Waren. Für das IPTS würde diese Zuweisung bedeuten, daß es in seiner Vermittlerrolle die Aufgabe eines Dolmetsch übernehmen müßte. Die Sprache der Wissenschaften, der Natur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften, müßte bloß in die Sprache der Politiker übertragen werden, und schon hätte man das gewünschte Resultat. Leider zeigt die praktische Erfahrung, daß eine Vorgangsweise nach diesem Modell aus simplen konkreten Gründen nicht zum gewünschten Erfolg führt.

Dafür gibt es eine Reihe von erklärenden Faktoren. Wissen kann nicht einfach wie eine Ware übertragen werden. Es bedarf wesentlich einer Eigenaktivität des Klienten. Er/sie muß mit dem Kontext der Aussagen vertraut sein, er /sie sollte die vorgeschlagenen Maßnahmen bereits selbst erwartet oder vorgedacht haben, oder zumindest sollte das Feld (Bourdieu), in dem die Politikberatung tätig ist, nicht nur auf der pragmatischen Ebene, sondern auch theoretisch aufgearbeitet sein. Andernfalls werden suboptimale technokratische Lösungen als praktikabel angesehen, man denke etwa an die Vorschläge von Bill Gates an Bill Clinton, in jeder Schule und Bibliothek der USA einen Computerzugang zu schaffen, um die Probleme des Mangels an Fachkräften (nach Berichten der amerikanischen informationstechnischen Industrie fehlen rund 1.3 Millionen Fachkräfte) auf informatischem Gebiet zu beheben.

Den weiter oben genannten Mängeln des Übersetzungs-Modells versuchte das IPTS durch eine andere Methode zu entkommen. Der damit verbundene Paradigmenwechsel soll dabei anhand eines konkreten Projekts illustriert werden.

1996 startete am IPTS ein neues Forschungsprojekt unter dem Titel "Made in Europe" wobei an verschiedene Studien angeknüpft worden war, die in Frankreich, den USA und in Japan unter ähnlichen Titeln bereits durchgeführt worden waren. Der Projektname sollte eine neue Stufe der Auseinandersetzung der Europäischen Union mit den anderen Mitgliedern der Triade in bezug auf Konkurrenzfähigkeit, Arbeitsproduktivität und sozialer Lage der Arbeitskräfte signalisieren.

Leider lag das Unternehmen aus verschiedenen Gründen von Anfang an schief: Die früheren Studien hatten auf die materielle Produktion orientiert. Der heute besonders wichtige Sektor der Dienstleistungen war so gut wie gar nicht berücksichtigt worden. Das Setup des Projektes lag in den Händen von drei bedeutenden und anerkannten Sozialwissenschaftlern, die das Projekt als Gelegenheit benützen wollten, weitere Forschungen zu betreiben, um das Nichtwissen bezüglich der vergangenen ökonomischen Entwicklung zu reduzieren. Schließlich wurden siebzehn (!!!) Arbeitsbereiche identifiziert, die durch Forschungsgelder der EU finanziert von der wissenschaftlichen Gemeinschaft beforscht werden sollten. Jedes Gebiet besaß einen Umfang von 20 bis 30 Personenjahren an wissenschaftlicher Arbeit. Es zeigte sich bald, daß ein solcher Ansatz wenig praktikabel wäre, und weder vom IPTS finanziert noch gemanagt werden könnte. Im Oktober 1997 lud das IPTS zu einer Konferenz ein, um dieses Setup von den möglichen Klienten, von den Generaldirektionen der Europäischen Kommission, von Repräsentanten des Europäischen Parlaments und von Vertretern der Industrie und Gewerkschaften begutachten zu lassen. Das Ergebnis dieser Beratungen entsprach den Erwartungen des IPTS-Teams: Das Projekt sollte wesentlich abgespeckt, der wissenschaftliche Vorlauf abgekürzt, die Politikrelevanz und Zukunftsbezogenheit erhöht, der Inhalt nicht nur auf materielle Produktion bezogen, sondern um die Dienstleistungsbereiche erweitert, und die Laufzeit verkürzt werden.

Ein anschließendes Brainstorming des IPTS-Teams brachte auch andere Präferenzen der Teammitglieder an die Oberfläche, die durch das akademische Leitungsteam von außen bisher eher ignoriert worden waren: Die Interaktion mit den Klienten sollte verstärkt und der nötige wissenschaftliche Input von außerhalb des Projekts erbracht werden. Um das wissenschaftliche Defizit auszugleichen, wurden neue Methoden der Wissensvermittlung und -abschöpfung angedacht. Als eine besonders effiziente Form erwies sich die Beteiligung einer Gruppe hochrangiger Ökonomen, die vom IPTS unter Vertrag genommen worden war. Der Nobelpreisträger Robert Solow vom MIT etwa definierte in einer Publikation des IPTS Reports Konkurrenzfähigkeit in einer neuen, human orientierten Form, die sich von der Orientierung seiner Vorgänger auf kurzfristige Profitmaximierung wesentlich unterschied. Damit war der Weg für eine synergetische Orientierung des Projekts freigelegt (siehe Vorwort von Bob Solow zum IPTS-Report 7/1997xxx) und die Vorstellung, Konkurrenz wäre ein Nullsummenspiel, in den Hintergrund gedrängt worden.

Ein mit Vertretern einiger Generaldirektionen abgehaltenes Treffen in Brüssel machte die unterschiedlichen Anforderungen deutlich, die von der Kommission an ein derartiges Projekt gestellt werden würden. Es wurde immer klarer, daß eine einzige - von IPTS entwickelte - Zukunft, die von außen an die Generaldirektionen herangetragen werden würde, den unterschiedlichen Anforderungen nicht gerecht werden könnte. Daher gingen die Überlegungen des Projektteams immer mehr in die Richtung der gemeinsamen Erarbeitung von Perspektiven.

Eine weitere Konkretisierung trat durch den neuen Direktor des IPTS, Jean-Marie Cadiou, ein, der nach einer mehr als einjährigen Vakanz der Stelle die Leitung des Instituts im Februar 1998 übernahm. Er orientierte ganz deutlich auf die praktischen, eher mittelfristigen politischen Bedürfnisse der europäischen Entscheidungsträger und verwies auf ein wenig bearbeitetes Feld in einem Zeitfenster nach der Etablierung des gemeinsamen Marktes durch den EURO, der ersten Welle der Osterweiterung, einer neu implementierten Agrarpolitik, dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung usw., also eher in der Periode 2005 bis 2010 gelegen. Auch der Name des Projekts, das ja tatsächlich einer anderen Konzeption folgte, wurde provisorisch auf "Futures-Projekt" geändert. Bessere Namen könnten zu einem späteren Zeitpunkt gefunden werden.

Da das IPTS an technischen Fragen besonders interessiert ist, wurde ein Schwerpunkt der Analyse zusätzlich zu den geänderten politischen Rahmenbedingungen auf die Lokalisierung und die Abschätzung des Einflusses von zentralen Triebkräften der Entwicklung gelegt, die im Weltmaßstab auftreten würden, wie etwa die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die derzeit für die Konstruktion einer europäischen Informationsgesellschaft von besonderer Wichtigkeit sind, oder auf die Gen- und Biotechnologien, die Auswirkungen auf die Ernährung, die Gesundheit, die Lebenserwartung, auf ethische Fragen haben werden. Demographische, soziale und kulturelle Variablen wären im Kontext des Projekts zu bedenken, ebenso wie ökonomische Fragen, wie etwa die Entwicklung der globalen Finanzmärkte oder die Entstehung neuer Konsummuster und Lebensstile (z.B. durch die Überalterung der europäischen Arbeitskräfte).

Es scheint klar, daß es in einem Projekt, das nun nur noch gut ein Jahr Laufzeit hat, nicht alle politischen Veränderungen bedacht werden können, die insgesamt als Potential vorliegen. Eine Auswahl einer kleinen Anzahl von Politikbereichen war daher ein Gebot der Stunde. In Übereinstimmung mit der Mission des IPTS, die durch die zuständige Kommissarin, Edith Cresson, vorgegeben war, wurden drei Politikbereiche zur Bearbeitung ausgewählt:

. Wissen, Wissenschaft, Forschung und Technologie

. Konkurrenzfähigkeit der materiellen Produktions- und Dienstleistungsbetriebe Europas

. Beschäftigung, Arbeit, Nicht-Arbeit und Arbeitslosigkeit

Von vornherein bestand im Projektteam Konsens darüber, daß die Schwierigkeiten, die mit der Nutzbarmachung von Ergebnissen zusammenhängen, die in geschriebener Form vorliegen, umgangen werden müßten. Üblicherweise besteht in dem Bereich der Klientel in der Europäischen Union extreme Zeitknappheit. Längere Texte werden von den relevanten Entscheidungsträgern nicht mehr gelesen, eventuell werden Exzerpte angefertigt, die immer wieder zu Verkürzungen und zu Verzerrungen führen. Oft liegen den Vorschlägen stillschweigende und implizite Annahmen zugrunde, die von der Klientel nicht geteilt werden oder gar nicht als solche bewußt sind. Daher war der verwendete methodische Ansatz von Anfang an von der Vorstellung geprägt, die Ausarbeitung der Ergebnisse und deren Konsumtion weitgehend in einem einzigen Akt zusammenfallen zu lassen, und zwar so, daß die in der Europäischen Kommission vorhandenen Widersprüche durch gemeinsame Erarbeitung von Zukunftsvorstellungen gemildert werden könnten, wenn sie dem Muster von win-win Situationen (Liliane Forester) folgen. Läßt man diese Voraussetzung gelten, müssen neue Wege beschritten werden, die dem bisherigen linearen Muster von arbeitsteiliger Erstellung politischer Konzepte und Anwendung entgegengesetzt sind. Das wesentliche Instrument, das am IPTS vorgesehen wurde, besteht aus drei parallel organisierten Policy-Workshops, die gemeinsam von Entscheidungsträgern und Experten beschickt werden. In diese Workshops soll die Arbeit von fünf Expertenpanels einfließen, die im Vorlauf zu den Policy Workshops abgehalten werden. Während die Expertenpanels sich der Lokalisierung der wesentlichen Triebkräfte der Entwicklung und einer präzisen Darstellung von Kontextvariablen widmen, zielen die Policy-Workshops darauf ab, Szenarien zu erarbeiten, die einen weitgehenden Konsens aller Teilnehmer bezüglich der zukünftigen politischen Entscheidungen finden. Dieser Konsens wird nicht leicht zu erzielen sein. Im besten Fall kommt es zu einer gemeinsamen gedanklichen Neukonstruktion gesellschaftlicher Teilbereiche, die in der Lage ist, die unterschiedlichen Standorte und Interessen in einem neuen Lichte zu sehen. Wichtig scheint vor allem die Überlegung, daß die einzelnen Partikulärinteressen zu ihrer Realisierung immer auch der Mitwirkung der anderen bedürfen. Damit ist ein Raum für Kompensations- und Seitenzahlungen aufgetan, der zusätzliche Verhandlungs- und Abstimmungsspielräume eröffnet. Das Projektteam ist weder der Meinung, daß ein einziger Königsweg dafür existiert, noch daß das Rad neu erfunden werden müßte. Prospektive Aktivitäten in den Firmenzentralen multinationaler Konzerne wie auch nationale Zukunftsforschungsprojekte weisen darauf hin, daß diese Vorgehensweise ein interessantes Potential beinhaltet, das den traditionellen Methoden nicht innewohnt. Die in dieser prozeßorientierten Veranstaltung liegenden Möglichkeiten müssen erst entdeckt werden. Dazu hilft eine qualitativ hochwertige Moderation des gruppendynamischen Prozesses ebenso wie eine gute Vorbereitung jeder einzelnen Sitzung durch die Vorgabe von Fragestellungen als Beispiele und Orientierungshilfen für den tatsächlichen Prozeß. Was sich tatsächlich in der Praxis auf diesem Weg erreichen läßt, wird die Zukunft zeigen.